REITTHERAPIE

 „Der Körper ist der Handschuh der Seele, Seine Sprache, das Wort des Herzens.“

 Samy Molche

Kinder, die durch Ängste blockiert, oder durch innere Unruhe getrieben werden und Kinder, die sich durch Wahrnehmungsstörungen in der Welt nur schwer zurechtfinden können, oder aber durch fehlendes Selbstwertgefühl verunsichert sind, können durch das Zusammensein und durch die Auseinandersetzung mit dem Pferd profitieren. Das Gefühl, von einem Lebewesen getragen zu werden, sich mit ihm eins fühlen zu können, kann den Faktor Wohlbefinden enorm steigern. Diese kurzen Momente von tiefem Glück hinterlassen bleibende Eindrücke.

Das Pferd unterstützt uns bei
  • Frühförderung / Entwicklungsverzögerung
  • Lern-und geistige Beeinträchtigungen
  • ADS/ADHS
  • Angst und extreme Schüchternheit
  • Selektivem Mutismus, Autismus
  • Essstörungen
  • Verhaltensstörungen
  • Wut und Aggression 
  • Depression und Trauer
  • bei Erwachsenwerden und der Selbstfindung
  • Trauma und Traumafolgestörungen

Die heilende Wirkung der Pferde

• Tiere haben keine Vorstellung davon, was wir Menschen als normal bezeichnen. Deshalb begegnen sie uns ohne Vorbehalte 

• Durch die Beziehungsarbeit mit dem Pferd werden geistige und seelische Bereiche angesprochen. 
  Das Pferd regiert auf Körperspannung, Stimmungssignale, Atmung, Stimme und Gestik und erkennt so die Echtheit 
  einer Beziehung.

  • Versorgung und Betreuung des Pferdes schulen soziales Verhalten und Intellekt.

• Das Pferd erlaubt und genießt Körperkontakt ohne menschliche Wertvorstellungen zu berücksichtigen.

• Es erkennt Stimmungen des Menschen und geht darauf ein. Es spiegelt Emotionen ehrlich und unverfälscht. Innere Prozesse 
  macht es sichtbar.

• Von dem Pferd getragen zu werden löst widersprüchliche Gefühle aus: 
  Getragen werden und ausgeliefert sein. Sicherheit und Gefahr. Vertrauensarbeit wird dadurch zur Herausforderung.

• Das Pferd motiviert. Es hat einen hohen Aufforderungscharakter und kann auf diese Weise Abwehrmechanismen brechen. 
  Ständig befindet sich das Kind im Bewegungsdialog mit dem Pferd.

• Das Pferd folgt dem angeleiteten Kind. So erlebt es die Faszination, dass ihm so ein großes und starkes Tier freiwillig folgt. 
  Die Erfahrung, ein so stolzes Wesen lenken und führen zu können, stärkt das Selbstvertrauen und macht   
  Selbstwirksamkeit erlebbar.

• Das Kind muss sich im Umgang mit dem Pferd immer wieder neuen Aufgaben stellen. Es arbeitet an Konzentration, 
   Ausdauer und auch an Frustration.

• Die Präsenz eines Tieres senkt den Blutdruck. Entspannung wird dadurch leichter möglich.

• Pferde lassen Stärken und Fähigkeiten des Kindes zum Vorschein kommen und helfen dabei Lebensfreude zu wecken.

(Vgl. Schörle, 2000)


Die Themen pferdegestützter Intervention 

Nähe – Distanz 
  • Wie nah möchte das Kind das Pferd an sich heranlassen? 
  • Wie groß ist sein `Schutzkreis´? 
  • Erkennet es seine Grenzen? 

Selbstwahrnehmung – Fremdwahrnehmung 
  • Wie wirkt es auf das Pferd?
  • Wie erlebt es das Pferd? 

Angst – Gewalt 
  • Angstabbau durch Wissen und Verständnis
  • Provoziert seine Angst Gewalt?
  • Reagiert es gewalttätig aus Angst? 

Positive Beziehungserlebnisse
  • Natürliche Körperlichkeit der Tiere 
  • Von menschlichen Werten losgelöste Zuneigung der Tiere 
  • Entdecken von Ressourcen und Kompetenzen
  • Entfaltung von Fähigkeiten durch Abbau von Angstblockaden 

Körpersprache – Körpererleben. 
  • Der Körper kommuniziert immer!   („Man kann nicht nicht kommunizieren.“ - Watzlawick) 

Selbsterleben – Selbstbehauptung 
  • Wie erlebt es sich als Führender? 
  • Wie erlebt es sich als Folgender? 

Kommunikation
  • Welche Signale sendet es aus? 
  • Wird sein NEIN akzeptiert? 
  • Wie interpretiert es die Signale des Pferdes?

Selbstregulation 
  • Entspannungs- und Atemübungen

Selbstwirksamkeit 
Jedes Handeln hat seine Wirkung beim Pferd. Das Kind erlebt, wie es aktiv Einfluss auf seine Situation und sein Umfeld nehmen kann. Im Hier und Jetzt 
Die Sprache des Körpers spricht immer in der Gegenwart. Sie redet nicht über die Vergangenheit und schweift nicht in die Zukunft. Das Pferd regiert nicht primär auf das was das Kind erlebt hat, sondern es reagiert auf das, was das Kind, jetzt in diesem Augenblick in dieser Situation zeigt. Dadurch gibt das Pferd ein Sein im Hier und Jetzt vor. 


Die Wirkungsfelder pferdegestützter Intervention

Die pferdegestützte Intervention wirkt auf vielen Ebenen:

Sinne
• Das Ausbalancieren auf dem Pferderücken schult den Gleichgewichtssinn
• Jede Berührung mit dem Pferd fördert auf angenehme Weise den Tastsinn 
• Mit geschlossenen Augen nimmt man Körper und Raum wahr und spricht somit die Tiefensensibilität an
• Der Geruchssinn wird vom Pferd mal auf angenehme, dann aber auch wieder auf eher unangenehme Weise angesprochen

Motorik
Die Bewegung des Pferdes hat 5 verschiedene Bewegungsrichtungen
• Auf- und Abwärts • Vor- und Rückwärts
• Links – und Rechts Bewegung
• Kippbewegung
• Rotationsbewegung

Die Bewegungen des Pferdes stimulieren Grob– und Feinmotorik, sowie die Koordination des gesamten Körpers. 
Das Aufrechthalten und das Ausbalancieren fordert ständig wechselnde Muskelanspannung. Dadurch können sich Gang, 
Bewegung, Koordination und Gleichgewichtssinn verbessern. Durch Spiele auf dem Pferd z.B. mit Ball oder Reifen, kann zusätzlich die Auge-Hand Koordination geschult werden. Koordinationstraining für das Gehirn.
Reiten beansprucht beide Körperhälften und fordert somit auch beide Hirnhälften heraus. In der linken Hirnhälfte wohnen: 
Analyse, Sprache, Zeit und Bewusstsein In der rechten Hirnhälfte wohnen: Intuition, Bild, das Unbewusste und das ganzheitliche Denken. Durch Körperübungen auf dem Pferd kann man beide Hirnhälften miteinander in Verbindung bringen. Eine wichtige Voraussetzung für ganzheitliches Denken und Handeln. 90-120 Bewegungsimpulse pro Minute gibt das schreitende Pferd an das menschliche Gehirn weiter. (Vgl. Gomolla. A.2014, Institut für Pferdegestützte Therapie) Bewegungsimpulse, die mit der Zeit Bewegungserfahrung werden. Dadurch können sich Blockaden lösen und es entsteht Sicherheit, Freude und Vertrauen. 

Taktgefühl und Rhythmus 
Jede Gangart des Pferdes hat einen anderen Takt.
 • Da ist der beruhigenden 4 Takt im Schritt 
 • Der belebende 2 Takt des Trabs
 • Und der ermutigende 3 Takt im Galopp 

Mitunter sind Kinder und Jugendliche aus ihrem Rhythmus geraten. Sie befinden sich nicht in ihrer natürlichen Ausgewogenheit. 
Die gleichförmige Bewegung des Pferdes in unterschiedlichem Takt hilft dem Kind, sich wieder zu `rhythmisieren´. 
Das Pferd wirkt sozusagen als Schrittmacher für ein ausgewogenes Gemüt. 

Das Pferd als Spiegelbild 
In seiner Natürlichkeit reagiert das Pferd direkt, ehrlich und unverfälscht auf uns. Seine Sprache ist die Sprache des Körpers. 
Es spricht mit seinem Körper zum Kind und es erkennt das Kind an seiner Körperhaltung. Angst, Aggression, Freude, Stärke, Mut, Unsicherheit, Zweifel, Trauer, Wut. All dies zeigt sich für das geübte Auge des Pferdes in unserem Körper. Das Pferd ist Beutetier, 
der Mensch Jäger. Eine angeborene Scheu vor dem Jäger lässt das Pferd bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr reagieren. 
Auch ist das Pferd ein Herdentier. Es sucht und fordert Führung – ein Leittier. Jede Handlungen des Kindes löst im Pferd eine Reaktion aus. Zeigt es sich aggressiv, wird es sich entziehen, gar fliehen. Ist es ängstlich, nimmt es Angst wahr und reagiert ebenfalls ängstlich. Vertraut es dem Pferd, wird es sich ihm anvertrauen. Vertraut sich das Kind selber und ist in seiner Mitte, wird das Pferd das Kind erkennen und sich bei ihm sicher fühlen. Es kann sich dem Kind als potentiellen Herdenführer anschließen, sobald es ihm mit Vertrauen und Mut entgegen kommt. Nur dann kann es sich sicher fühlen, und darauf bauen, dass der Mensch es bei Gefahr schützt. Unterstützen wir das Kind dabei, die Reaktionen des Pferdes auf das Kind zu beobachten, so kann das Kind viel über sich erfahren. Es kann seine Selbst- und Fremdwahrnehmung schulen. Durch die bewusste Arbeit am eigenen Körper und dessen Sprache kann es wachsen, mutig und selbstbewusst werden. 

Das Putzen 
- mehr als nur die Vorbereitung zum Reiten 
Beim Putzen tastet sich das Kind im wahrsten Sinne des Wortes an das Pferd heran. Es entsteht ein nonverbaler Dialog zwischen Kind und Pferd. Durch die Berührung entsteht ein Austausch darüber, was der andere mag, wie er reagiert und was ihm nicht gefällt. Wahrnehmung und Sozialverhalten werden geschult und das Kind erlebt auf diese Weise Anfang und Ende einer Arbeit. 
Es übernimmt Verantwortung und wird dabei mit wachsendem Selbstbewusstsein belohnt. Die heilende Wirkung des Pferdes vermittelt sich nicht zwingend von selbst. Eine gezielte Hinführung und ein Aufmerksam machen helfen dabei. Ein Hinweis, worauf es seine Aufmerksamkeit richten soll, und eine Erklärung über Zusammenhänge, helfen auf dem Weg zur besseren Selbst- und Fremdwahrnehmung. Auch bedarf es einer Begleitung und Hilfestellung, damit aus der Begegnung Kind und Pferd, bei all ihrer Andersartigkeit, eine tragfähige, sichere und gute Beziehung werden kann. Zu Beginn ist der Wunsch des Kindes nach dem Zusammensein mit dem Pferd geprägt durch Träume und Bedürfnisse. Mit der Zeit kann das Kind seine Fähigkeiten weiterentwickeln, sodass es dem Pferd ein Gegenüber wird. Ein ängstliches Kind kann mutiger und selbstbewusster werden. Ein hyperaktives Kind kann seine Selbst – und Fremdwahrnehmung, und somit sein Einfühlungsvermögen stärken. Kann das Reiten auch einschränkende oder belastende Lebenssituationen nicht verändern, so kann es dem Kind doch helfen, mit sich und der Welt besser zurecht zu kommen. Und bei alle dem macht das Reiten auch noch Spaß. 

Personenzentrierte Körperarbeit 
Alle Empfindungen, die wir bewusst oder unbewusst erfahren, finden ihre Entsprechung in unserem Körper und können dort sichtbar und spürbar gemacht werden. Die Entwicklung von Körperbewusstsein, die Eigenwahrnehmung von körperlichen Zuständen, kann uns helfen, geistige, seelische, psychische Zustände in uns zu erkennen. Das Wesen Pferd berührt und beansprucht uns körperlich auf haptiler, taktiler, sinnlicher Ebene und kann auf diese Weise die in unserem Körper innewohnenden Empfindungen an die Oberfläche bringen. Entspannung fördert die Körperwahrnehmung und Regeneration. 
Sie aktiviert Selbstheilungskräfte. 

Traumazentrierte Reittherapie 

Die Stabilisierung steht in den Traumatherapie an erster Stelle. Das Kind soll erst ausreichend wirksame Schutzmaßnahmen und Entspannungsübungen verfügbar haben, um sich dem intensiven Erinnern und Erarbeiten des Trauma-Erlebnisses stellen zu können. Hier sehe ich große Handlungsmöglichkeiten in der Arbeit mit dem Pferd bei Kindern mit einer Traumafolgestörung. 
Peter A. Levins Ansatz in der Traumatherapie ist nicht das Erinnern und Erzählen des Tauma-Ereignisses. Er geht davon aus, dass es heilend wirkt, wenn man die während des Traumas zur Verfügung gestellten Überlebensenergien nachträglich zur Entladung bringt. Während der traumatischen Erfahrung konnte der Körper ja nicht mit Flucht oder Kampf reagieren und somit die Energien ableiten. Kognitiv behavioralen Theorien setzen an der Überlegung an, dass es möglich ist, die dysfunktionalen Gedanken und Glaubenssätze, die sich durch das Traum-Erleben manifestiert haben, und Alltag und Emotionen des Betroffenen existentiell beeinträchtigen, zu modifizieren. Die Spieltherapie kommt ohne Konfrontation mit den traumatischen Erfahrungen aus, und konzentriert sich statt dessen auf die spielerische Bearbeitung der Infolge der traumatischen Erfahrung veränderten Wahrnehmungs-Erlebnis- und Denkmuster. So ist mein Ansatz in der pferdegestützten Intervention, an all dem zu arbeiten, was sich im Hier und Jetzt zeigt. Zusammen, mit einem Wesen, dessen große Stärke in seiner Wahrhaftigkeit im Hier und Jetzt liegt. Zusammen mit dem Pony kann das Kind lernen, sich selbst und sein Umfeld besser wahrzunehmen und einzuschätzen. Somit kann es auf Situationen, die als Trigger sein Angstsystem zünden lassen, bewusster und somit kontrollierter reagieren. Es kann sein Selbstwertgefühl wachsen lassen, seine Selbstwirksamkeit kennenlernen, positive Beziehungserlebnisse haben und die Erfahrung machen, dass man mit Entspannung und Vertrauen angstmachende Situationen aushalten kann. In der Bewegung mit und auf dem Pferd können sich Blockaden lösen und ihrer Entwicklung in ihrem Rahmen freie Bahn lassen. 
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